Philosophieren heisst zu staunen. Jeden Tag. Fragen an sich und die
Welt zu stellen und in sich hineinzuhorchen, die Welt zu beobachten und
Antworten zu suchen.
Philosophieren heisst, sich zu interessieren, Neugierde zu empfinden,
kreativ zu sein, die Bereitschaft zu haben, konstruktiv zu sein,
bereit, Altes niederzureissen, Neues zu errichten.
Philosophieren ist der Versuch, die Verwirrung zu entwirren, der
Versuch das Unverständliche zu verstehen, Orientierung in die
Orientierungslosigkeit zu bringen.
Philosophieren heisst zu beobachten, einzuordnen und bei gescheitertem
Einordnen wieder zu beobachten, zu hinterfragen und entweder eine neues
Ordnungssystem zu finden oder die Beobachtung anders einzuordnen.
Philosophieren ist wie ein Zimmer aufräumen. Es heisst die
Welt neu zu ordnen, die bestehende Ordnung zu hinterfragen und eine
adäquatere zu finden. Eine philosophisch eingerichtete Welt
sieht anders aus als diejenige eines Alltagsmenschen. .
Philosophieren heisst kategorisieren, heisst alles zu hinterfragen und
jede Ordnung begründen zu können.
Philosophieren heisst, Autoritäten - vernünftig
begründet - in Frage zu stellen. Philosophieren ist stets
aktiv. Philosophieren kann nicht gelehrt, kann nur gelebt werden.
Philosophieren ist vernünftige Anarchie. Wer philosophiert
muss das Chaos lieben, weil erst es ihn zur Ordnung zwingt.
Philosophieren heisst arbeiten und doch gleichzeitig viel Musse haben.
Gleichgültigkeit ist der Tod jedes Philosophierens.
Philosophieren heisst genau und vor allem sehr selbständig zu
denken. Es heisst, sich den Tatsachen und nicht den
Autoritäten zu stellen.
Philosophieren heisst sich die Welt jeden Tag neu zu
erschließen. Philosophieren heisst sich konzentriert und
bewusst gehen zu lassen.
Philosophieren heisst die Relativität zu erkennen und die
Realität in Frage zu stellen. Es heisst, anzuerkennen, dass
sich die Welt nicht um einen selbst dreht. Es heisst, Einsamkeit
ertragen, sie gar suchen zu wollen.
Alles Philosophieren ist ein Versuch, Sinn zu finden, Hoffnung zu
stiften, zu verstehen. Alles wahre Philosophieren kommt zum Schluss,
dass kein Sinn gefunden, keine Hoffnung gestiftet, nichts verstanden
werden kann. Darin erkennt der wahre Philosoph den wahren Sinn, die
wahre Hoffnung, das wahre Verständnis.
Philosophie tröstet den einen, bringt den anderen an den Rand
des Wahnsinns, den Dritten an den Rand des Sinns.
Philosophieren heisst sich in andere hineinzudenken,
hineinzufühlen. Es heisst zu erkennen, dass das was
für einen selbst gilt – richtig reflektiert
– auch für den Nächsten gilt.
Philosophieren heisst offen zu sein, offen dafür, seine
Denkschemata, aber auch alle seine Sicherheiten in Frage zu stellen.
Philosophieren heisst andere und anderes in Frage zu stellen, aber vor
allem sich selbst zu hinterfragen und daraus neue Kraft zu gewinnen.
Manche verzweifeln an dieser Aufgabe.
Philosophieren heisst sich zu wagen, das einzig Sichere anzugreifen,
das einzig Selbstverständliche zu torpedieren – sich
selbst. Wer diesen Angriff übersteht ist für das
Leben gerüstet.
Philosophieren heisst sich oft im Diskurs mit sich selbst und Anderen
zu befinden. Philosophieren heißt beharrlich im Dialog stehen
über „Dinge, die wir (noch) nicht
verstehen“. Es heisst bewusst zu leben, es setzt den Willen
voraus, sich selbst, die Welt und das Verhältnis zwischen
diesen beiden verstehen zu wollen.
Philosophieren heisst wie Columbus die Welt entdecken zu wollen, das
Neue nicht zu scheuen, das Neue radikal zu denken – und es zu
suchen. Philosophieren heisst sein sicheres Versteck, den ruhigen Hafen
zu verlassen und die stürmische See zu suchen. Philosophierend
lassen sich noch manche Amerikas entdecken.
Philosophieren heisst mutig das Undenkbare zu denken, nicht um sich
damit selbst zu genügen, sondern um es in die Welt hinaus zu
schreien und damit denkbar zu machen.
Philosophieren heisst das Neue zu gebären oder ihm wenigstens
als Hebamme zu dienen.
Philosophieren heisst zu wandern, zu reisen, zumindest in Gedanken sich
in ferne Regionen zu begeben und das Exotische in sich aufzusaugen,
davon zu zehren und sich inspirieren zu lassen.
Philosophieren heisst, sich Zeit zu nehmen.
Philosophieren ist eine Reise bis ans Ende der Welt, darüber
hinaus und wieder zurück.
Philosophieren heisst, sich eine eigene Welt zu schaffen, heisst die
Bereitschaft stets einen neuen Weg einzuschlagen, die Bereitschaft,
Sackgassen als solche anzuerkennen.
Philosophieren bedeutet konsequent zu sein, konsequent im Willen, die
Weisheit über den eigenen Vorteil zu stellen.
Philosophieren heisst alles, also auch sich selbst, in Frage zu
stellen. heisst zweifeln an sich selbst, seiner Wahrnehmung und der
Welt. Es heisst anzuerkennen, dass es keine Wahrheit an sich gibt,
sondern nur Wahrheiten, die innerhalb bestimmter Regelsysteme
gültig sind.
Philosophieren heisst Grenzen anzuerkennen und gleichzeitig
regelmässig gegen bekannte Regeln zu verstossen. Es heisst
innerhalb einer bestimmten Welt jeden Stein, jedes Sandkorn, jeden
Stern am Himmel umzudrehen, zu beobachten, zu beschreiben, zu
analysieren.
Philosophieren heisst stets eine Sonnenbrille zu tragen, um sich nicht
blenden zu lassen. Die Kunst des Philosophierens besteht darin, niemals
eine Sonnenbrille zu tragen und sich doch nicht blenden zu lassen.
Philosophieren heisst zu zweifeln, aber nicht zu spinnen. Es heisst am
Richtigen zu zweifeln ohne daran zu verzweifeln. Was aber auch heisst,
am Falschen nicht zu zweifeln, wohlverstanden.
Philosophieren heisst zu spinnen. Wie eine Spinne ein Netz zwischen den
verschiedenen eigenen Erfahrungen zu spinnen, diese zu
verknüpfen, in einen größeren Zusammenhang
zu bringen.
Philosophieren heisst aus diesen Erfahrungen einen Teppich von
unglaublicher Komplexität und Schönheit zu weben.
Menschsein setzt Philosophieren, nicht aber Philosophie voraus. Jedes
Kind, jeder „werdende Mensch“ muß sich
erst philosophierend seine eigene Welt erschließen ohne sich
je mit einem philosophischen Kanon auseinanderzusetzen. Wollen wir uns
als Erwachsene weiterentwickeln, müssen wir uns an den Kindern
ein Vorbild nehmen, ihnen zuhören und sie nachahmen im
philosophierenden Fragen stellen an sich und die Welt.
Der Tod des Philosophierenden ist die Konstanz.